Autor: Horst Nauk 2009/2010
Der Taunus und seine verborgenen historischen Stätten
Mit Zustimmung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen habe ich als Amateur während vieler Jahre auf den Feldern der Idsteiner Senke systematisch nach archäologischen Spuren gesucht und dabei Siedlungsplätze unterschiedlicher neolithischer Kulturen, Gräber und Gräberfelder der Urnenfelderkultur und Hallstattzeit aufgespürt, vermessen, kartiert und dokumentiert.
Im Jahr 1997 wandte ich mich erstmals der Waldarchäologie zu. Eine neue Aufgabe sah ich darin, die Waldfluren von Glashütten, Oberems und Schloßborn nach nicht bekannten historischen Stätten abzusuchen. Später dehnte ich den Begehungsraum auf Bereiche im westlichen Naturpark Hochtaunus aus.
Entgegen der frei überschaubaren Felder bot nun der Wald doch einige Hindernisse. Der neue Bereich wurde zur sportlichen Sache, forderte Ausdauer und Geduld. Steile Hänge, Bodenbewuchs, dichtes und oft kaum zu durchdringendes Unterholz erschweren das Suchen. Gravierend dabei: historische Stätten weisen selten deutliche anthropogene Geländerelikte auf. Dennoch erkannte ich recht bald, dass die Wälder in großem Umfang Quellen für die Geschichtsforschung bergen, deren Ursprung im Holz als Rohstoffquelle und Energieträger, den Bächen und Wasserrinnen begründet sind.
Bei den vielen Entdeckungen der darauffolgenden Jahre (mehr als 500 Objekte), zähle ich die Standorte mittelalterlicher Waldglashütten zu meinen besonderen Erfolgen.
Im Juni 1998 erkannte ich in der Gemarkung Glashütten, unterhalb der Höhe Glaskopf, in nur geringem zeitlichen Abstand die Standorte zweier Waldglashütten, eine Bodendenkmälerart, der ich hier das erste Mal begegnete. Einer davon hat nach dem Distriktnamen die Bezeichnung "Unterhalb Dornsweg" erhalten. Diese Waldglashütte, mit ihrem grünen, blauen und rot opaken Hohlglas, sowie blauen, grünen und rot überfangenen grünen Flachglas (Abb. 1) war nicht nur zur Betreiberzeit gegen Mitte des 15. Jh. etwas Besonderes, ihre Ofenanlage und Glasreste finden auch in der gegenwärtigen Glasforschung große Beachtung. Die Waldglashütte "Unterhalb Dornsweg" ist zu einer Art Flaggschiff unter den bisher sechs nachgewiesenen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Waldglashütten auf dem Gemeindegebiet Glashütten im Taunus geworden; ein siebenter Standort liegt im angrenzenden Wald von Kröftel / RheingauTaunus-Kreis.
Auf Initiative des Kulturkreises Glashütten haben Mitglieder und Freunde des Kulturkreises unter wissenschaftlicher Leitung ehrenamtlich vier Grabungen an Glashütten-Standorten des Mittelalters vorgenommen, davon zwei am Standort "Unterhalb Dornsweg". Die Grabungen verliefen erfolgreich. Neben den allgemeinen Erkenntnissen zur Struktur mittelalterlicher Waldglashütten konnte mit dem geborgenen Material im Eingangsbereich der Gemeindeverwaltung Glashütten und dem Heimatmuseum Schloßborn je eine Schauvitrine eingerichtet werden. Im Freilichtmuseum Hessenpark, Neu-Anspach, entstand eine umfangreiche Dauerausstellung zum Thema "Waldglashütten im Taunus". In Verbindung mit der begleitenden Literatur -"Waldglashütten im Taunus", Herausgeber Freilichtmuseum Hessenpark -ist es möglich gemacht worden, Einblick in die Arbeit und Glasproduktion heimischer Waldglashütten des Mittelalters bis hin zum Ende des 17. Jahrhunderts zu nehmen. Damit schien die Glasforschung vorerst abgeschlossen, zumal weitere Glashüttenstandorte nicht hinzugekommen und Grabungen nicht geplant waren.
Die Entdeckung von derzeit acht, in ihrer Art bis dahin im Taunus nicht bekannter mutmaßlicher Glasöfen des Mittelalters, führte deshalb zu einer Überraschung. Dieser Typ von Ofen, ich bezeichnete ihn zunächst als "Ofen unter Steinhaufen" , wird zwischenzeitlich von der Wissenschaft als Ein-Ofen-Anlage gesehen, ein Glashüttenbetrieb, mit nur einem Ofen. Das Fehlen von Nebenöfen, wie sie bei den Hohl- und Flachglas erzeugenden Waldglashütten unabdingbar waren und die Tatsache, dass keine Glasscherben gefunden werden, stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel.
Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - haben die neu entdeckten Ofenanlagen der Glasforschung im Taunus neue Impulse gegeben, zumal ihre Betreiberzeit weit vor der der bekannten Waldglashütten zu liegen scheint. Damit wären die Glashütten mit nur einem Ofen das erste Glied des Glashüttenwesens im Taunus.
Öfen unter Steinhaufen
Auf einem meiner ungezählten Streifzüge durch die Wälder traf ich im Jahr 2001 an einem Quellhang im Königsteiner Herrnwald auf einen kuppigen, im Grundriß rund-ovalen Steinhaufen von 4 x 6 Metern, dessen Kuppe von einer Baumwurzel aufgebrochen war (Abb. 2 -Standort ALINA *). Zu Tage getreten ist dadurch archäologisch anmutendes Material; schalig zersprungener, rötlich/grau verfärbter, teils von dünner Glasschicht überzogener quarzitischer Sandstein (Abb.3a) und schwarz / orange verziegelter, häufig glasig, schlackiger Ofenlehm (Abb. 3b). Um den Hügel herum ist der Boden unter dem Laub brandgeschwärzt, durchsetzt von durchglühten, teils von feinem Glasfluß** überzogener Quarzite (Abb. 3e).
Der Gesamtbefund deutet darauf hin, dass im Hügel ein Ofen mit so hohen Temperaturen betrieben worden war, dass sich der beim Bau verwendete, vielerorts im Taunus anstehende quarzitische Sandstein (Taunusquarzit) verfärbte und schalig zersprang. Ein Anteil von Quarz im Stein verflüssigte sich, trat aus und bildete auf den Außenflächen einen mehr oder weniger starken gläsernen Belag. Der erste Gedanke, es handle sich um den Hauptofen einer weiteren Waldglashütte, mußte bald verworfen werden, denn es fanden sich weder Glasscherben noch konkrete Hinweise auf die unabdingbaren Nebenöfen (Fritt-, Kühl-und Strecköfen) einer Hohl-oder Flachglas produzierenden Glashütte. Die neue, damals nicht einzuschätzende Entdeckung machte neugierig. Sollte der Ofen in seiner Art einmalig sein?
*ln aller Regel übernimmt die Wissenschaft bei der Standortbezeichnung den Namen der Flur, in der das Objekt liegt. Als Amateur habe ich mir die Freiheit genommen, hiervon abzuweichen. Am Tage der Entdeckung des ersten, wie sich später herausstellte, so bedeutenden kuppigen Steinhaufen mit Ofencharakter, wurde meine Enkelin Alina zwei Jahre alt. Ein persönlicher Grund, ihr den Standort zu widmen. Einmal damit begonnen wurde in dieser Weise fortgefahren.
**Der Begriff Glasfluß ist eigentlich nicht zutreffend, doch die Wissenschaft hat für diese Art chemischer Reaktion im Gestein keine einheitliche Bezeichnung.
Nur siebzig Meter unterhalb des Standortes ALINA ragen - scheinbar in Reihe gesetzt - Steinbrocken aus dem Laub, die einen flachen Hügel von 3 x 5 Metern bachseits begrenzen (Abb. 4). Als das Laub entfernt war (Abb. 5) kam darunter eine geschlossene Schicht plattiger quarzitischer Sandstein und Taunusschiefer zum Vorschein. Jetzt ließ sich auch der Sinn der gereihten Steine erklären; sie sollten den mit Steinen abgedeckten Hügel zum Bach hin festigen. Unter den oberflächigen Quarziten gibt es nur wenige mit Spuren von feinem Glasfluß. Das Fehlen weiterer Relikte, zum Beispiel verschlackter Ofenlehm, ist zweifellos mit der geschlossenen, noch ursprünglichen Steinabdeckung zu erklären. Dieser Umstand gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß der darunter vermutete Ofen in seiner Struktur die Jahrhunderte relativ gut überstanden haben dürfte. Auch an diesem Ort ist der Boden um den Hügel herum brandgeschwärzt, es gibt weder Glasscherben noch Anzeichen von Nebenöfen. Der obertätige Befund läßt keinen Zweifel daran, daß es sich um einen weiteren Ofenhügel vom Typ ALINA handelt.
Nun gab es im Taunus einen zweiten "Ofen unter Steinhaufen", Standort MAGNUS, einer mir damals nicht bekannten Gruppe historischer Objekte. Eine Sternstunde für den Entdecker.
Eine wissenschaftliche Grabung in Nordhessen Bestätigung einer hochmittelalterlichen Ein-Ofen-Anlage
Der Zufall wollte es, dass zur gleichen Zeit über die Archäologische Landesforschung in Hessen (KAL) mit Unterstützung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen im nördlichen Reinhardswald an einem gleichartigen Steinhügel eine archäologische Grabung erfolgte. Nach Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Grabungsleiter besuchte ich den Grabungsort. Die Hälfte des Hügels war abgetragen, so dass ein erster Blick auf die Struktur eines Ofens möglich war. Noch am selben Tag ergab sich ein persönlicher Kontakt zu dem pensionierten, zwischenzeitlich leider verstorbenen Forstdirektor C. Chwalczyk, der u.a. im Reinhardswald eine große Zahl solcher Steinhaufen mit Ofencharakter aufgefunden hat. Bei einem gemeinsamen Geländegang fand ich die Bestätigung dafür, dass die Steinhaufen im Reinhardswald obertägig die gleichen Merkmale aufweisen, wie die "Öfen unter Steinhaufen" im Taunus. Außerdem zeigen beide Gruppen Parallelen bei der Wahl der Standorte mit Zugriff auf Wasser und, es finden sich an den Ofenplätzen weder Glasscherben noch Hinweise auf Nebenöfen.
Im darauffolgenden Jahr 2002 wurde die Grabung im Reinhardswald zum Abschluß gebracht. Der archäologische Befund: weder Glasscherben noch Nebenöfen einer Hohl-oder Scheibenglasproduktion sind nachgewiesen. Das Vorhandensein von Glashafenfragmenten, Glasfritte, Glasmasse (Glasfluß) auf Wandungssteinen und einzelnen Glastropfen stützt dennoch die Ansprache als Glashütte. Erstmals ist in Nordhessen der Nachweis fiir den Betrieb von Ein-Ofen-Anlagen bei der Glasgewinnung geführt und bestätigt, dass dort im 13. Jahrhundert (Hochmittelalter) in dieser Art Glashütten mit nur einem Ofen Glas -vermutlich Rohglas -gewonnen wurde.
Der Grabungsbefund und das Ergebnis meiner Gegenüberstellung beider Ofenhügel-Gruppen im nordhessischen Reinhardswald und Taunus setzte neue Akzente rur die Glasforschung im Taunus.
<Ein-Ofen-Anlagen> im Taunus
Nach dem erfolgreichen Besuch an der Grabungsstelle im Reinhardswald wurde die archäologische Waldbegehung im Taunus in gewohnter Weise fortgesetzt. Nicht, dass der Blick nur den jetzt auch im Taunus als Ein-Ofen-Anlagen anzusprechenden Steinhügeln gegolten hätte, entdeckte ich sechs weitere Standorte.
Auf einer Holzeinschlagsfläche im Königsteiner Herrnwald stieß ich im Wirrwar des am Boden liegenden Astholzes gefällter Bäume auf Ofenrelikte nach der Art des Standortes ALINA. Vereinzelte hitzegerötete und zersprungene Quarzite, schlackiger Ofenlehm und Steine mit Spuren von Glasfluß lagen am Boden verstreut. Als ich im Zentrum der Fundstreuung einen gering tiefen Schurf ansetzte, traf ich auf rötlichbraun verziegelte Erde, ein sicherer Hinweis auf ehemals sehr hohe Temperaturen an dieser Stelle. Ein charakteristisches Geländerelikt, wie das eines von Stein bedeckten Hügels, war nicht auszumachen. Im Jahr 2007 waren die Spuren des Holzeinschlages vergangen und der Blick auf den Waldboden frei. An der damaligen FundsteIle, heute erkennbar am Rande einer mit Binsen bewachsenen Quellmulde, zeigt sich eine kaum wahrnehmbare, fotografisch schlecht darzustellende Bodenerhöhung von 4,5 Metern im Durchmesser. Plattiger Quarzit, durchsetzt von geringen Mengen Ofen lehm, bedecken die Oberfläche. Damit konnte der damalige Fundort nachträglich als Standort einer Ein-Ofen-Anlage identifiziert werden (MAGNUS II).
Im Gegensatz zum Standort MAGNUS II ist der nun folgende, in seiner Art außerordentlich gut erhalten und sprichwörtlich auf den ersten Blick als Steinhaufen zu erkennen.
Im Norden der Gemarkung Falkenstein, am aufsteigenden Nordufer des Baches Massborn, stieß ich im Jahr 2002 auf einen im Grundriß kuppig-gerundeten Steinbaufen von rund fünf Metern Durchmesser (Abb. 6 -Standort ANKE).
Der Hügel ist aus quarzitischen Sandstein aufgeworfen. Nur wenige der obenauf liegenden Quarzite tragen einen Hauch von Glasfluß, was sich jedoch ab dreißig Zentimeter in der Tiefe ändert. Dort stehen Quarzite mit den typischen Merkmalen hoher Ofentemperaturen an. Das Besondere an diesem Ofenhügel ist die im Schutz des Waldes erhalten gebliebene ursprüngliche Abdeckung. Wie am Standort MAGNUS dürfte auch unter diesem Hügel ein zwar zusammengesunkener, aber dennoch gut erhaltener Glasofen vorzufmden sein. Am Hügel-Ostrand kommen in der brand schwarzen Erde Stücke von verkohltem Holz, Bröckchen von verziegeltern Lehm und vom Stein abgelöster Glasfluß vor.
Im Jahr 2007 bekam die Freude über einen so gut erhaltenen Ofenhügel einen Dämpfer. Bei einem Holzeinschlag waren Bäume auf dem Objekt niedergelegt (Abb. 7) und dadurch die Abdeckung gestört worden. Bei einer erneuten Inspektion im Jahr 2009 erwiesen sich die verursachten Schäden zum Glück als nicht ganz so gravierend. Trotzdem, das hätte nicht sein müssen, das zuständige Forstamt hatte Kenntnis von dem Bodendenkmal.
Bei Fortsetzung der Suche in der Bachregion Massbom gelangte ich im Forst Oberursel an einen kantig aufgesetzt wirkenden Hügel, der ganzflächig von einer Gras-und Moosschicht bedeckt war. Auffallig waren teils sehr große Steine, die ihn um Fuß umgeben. Der Hügel liegt zwanzig Meter nördlich des hier tief in das Gelände eingeschnittenen Baches und hat einen Durchmesser von rund vier Metern ( Abb. 8 -Standort ANKE Il). Nach dem Lösen und Abklappen der Gras-/ Moosmatte (Abb. 9) habe ich im Zentrum einen gering tiefen Schurf angesetzt und war dabei auf eine Lage von hitzegeröteten Sandstein gestoßen. Ein davon herausgelöstes Stück war an der Oberkante deutlich mit Glasfluß überzogen und mehrmals vertikal scheibenartig gespalten. Unterhalb des entnommenen Steines stehen verziegelter Lehm und rotbraun durchglühte Erde an; ein Merkmal für ehemals enorm hohe Temperaturen. Die nur wenigen Indizien sprechen dennoch für eine Ein-Ofen-Anlage, auch wenn sich dieser Standort durch die fehlende, großflächige Steinabdeckung von allen anderen unterscheidet. Die Bauweise einer anderen Epoche? Glasscherben fehlen auch hier. Nach der Inaugenscheinnahme wurde die Hügelabdeckung in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und ist heute wieder fest verwachsen.
Unweit der Ofenanlage, auf einem kleinen Hügel am Bachrand, stand ehemals eine starke Fichte an deren Wurzelwerk einzelne durchglühte, von leichtem Glasfluß überzogene Quarzite und kleine Brocken Ofenlehm freigelegt wurden, die teils den Hang hinab bis in das Bachbett gelangten. Der Befund läßt auf einen zweiten Ofen an diesem Ort schließen (Standort ANKE III).
Ein mutmaßlicher Glasofen in Bad Camberg-Erbach
Der bislang einzige, außerhalb des Hochtaunuskreises aufgefundene "Ofen unter Steinhaufen" liegt am Hauser Bach, Gemarkung Bad Camberg-Erbach, Kreis Limburg-Weilburg. Am nördlichen Ufer des Baches hebt sich ein Steinhügel von vier Metern Durchmesser deutlich im Gelände ab (Standort ERBACH; siehe unten). Rundum bilden große Steine die äußere Begrenzung, einige noch in ehemals gesetzter Stellung, andere sind verstürzt. Die Kuppe ist mit Quarzit bedeckt, darunter Stücke, die erkennbar von Hitze gerötet und schalig zersprungen sind. Nicht wenige tragen Spuren von Glasfluß. Verziegelter, glasiger Ofenlehm ergänzt den Befund. Verglichen mit denen im Hochtaunuskreis identifizierten Glasöfen spricht der Gesamtbefund dafür, daß es sich auch hier um den Standort einer Ein-Ofen-Anlage der hochmittelalterlichen Glasgewinnung handelt.
Ein Meilenstein in der Glasforschung Glashafen-/ Tiegelfragmente mit anhaftender Glas-Schmelze
Auf den ersten Blick ein unauffälliger Ort in der Gemarkung Falkenstein, Obere Reichenbach, dreißig Meter westlich zweier Quellaustritte. Durch einen besonderen Fund wurde er dennoch zum Meilenstein der Glasforschung im Taunus. Ein von großer Hitze rötlich verfärbter Sandstein ragte aus dem Laub. Nachdem die FundsteIle von Laub befreit war wurde eine längliche, gering hohe Aufschüttung von dem typischen Ofenmaterial sichtbar so, wie es vom Standort ALINA im Königsteiner Herrnwald vorliegt. Der Befund deutet auf die Überbleibsel einer Ein-Ofen-Anlage hin (Standort GISELA). Neu unter dem Ofenmaterial sind von Glasfluß durchzogene Klumpen, die den Eindruck erwecken, als handle es sich bei ihnen um durch Hitze miteinander verklebter, nicht restlos geschmolzener Bröckchen Quarz. Dieses Mineral ("Milchquarz") kommt im Taunus vielerorts auch oberflächig vor.
Beim Ausschwämmen einer 7 kg schweren Erdprobe -mit dieser Methode habe ich gute Erfahrungen beim Nachweis zerstörter vorgeschichtlicher Brandgräber gemacht -habe ich zwar kleine hellgrüne Glassplitter und zwei Glastropfen gefunden, doch handelt es sich dabei um Abplatzungen von Glasfluß. Anzeichen aufNebenöfen fehlen auch hier.
Bemerkenswert ist allerdings eine östlich an die FundsteIle angrenzende, in der Mitte eingetiefte rundliche Plattform von vier Metern Durchmesser, in deren Grund die Erde brand schwarz ist.
Die eigentliche Überraschung aber sind elf nur grob handgeglättete Hafen-/ Tiegelfragmente aus erdfarbener fester Keramik, darunter zwei Bodenstücke derselben, vormals etwa zwei Zentimeter dicken und im Durchmesser vielleicht fünfundzwanzig Zentimeter messenden, eher schüssel-oder schalenförmiger Keramik. Den Innenflächen der Bodenscherben haftet eine graue, bis zu 17 mm starke, oberflächig krakelierte Substanz an (Abb. 10 -12). Aufgrund eines bestehenden persönlichen Kontaktes zwischen Ingrid Berg vom Kulturkreis Glashütten und Professor K. H. Wedepohl, Universität Göttingen, führte Professor Wedepohl daran eine Analyse durch. Das Ergebnis: es handelt sich um verwitterte Glas-Schmelze; eine hochmittelalterliche Holzasche-Glas-Rezeptur. Vergleichsproben zu diesem Holzasche-Glas stammen aus dem Kloster Corvey und dem Kloster Brunshausen bei Gandersheim und sind aus der Zeit 1150 -1200, also hochmittelalterlich.
Nach Bekanntwerden der Glas-Schmelze-Analyse wurde das wenige, seinerzeit nicht sicher ansprechbare Material dieses Standortes nochmals durchgesehen. Dabei fand sich ein 162 Gramm schwerer, allseitig leicht gerundeter Klumpen, dessen Oberfläche der Glas-Schmelze glich (Abb. 13).
Auf meine Veranlassung hin hat die Diamant-und Edelsteinschleiferei Werner WILD in Idar-Oberstein daran Probeschnitte durchgeführt. Eine etwa 3 mm starke Scheibe wurde herausgetrennt und einseitig poliert (Abb. 14). Während alle Schnittflächen grauanthrazit sind, ist die polierte Fläche schwarz glänzend. Eine erstaunliche Parallele zu den Spuren der Materialentnahme für die Analyse.
Zur Entnahme der Proben waren mehrere Bohrungen in die am Tiegelboden anhaftende GlasSchmelze eingebracht worden. Die Wände der Bohrlöcher sind, wie die unbehandelten Schnittflächen an dem Klumpen, grauanthrazit; am Grund der ca. 15 mm tiefen Bohrungen dagegen schwarz glänzend. Laut Prof. Wedepohl ein unverwittertes dunkles Glas. Die Fakten sprechen dafür, dass es sich auch bei dem 'Klumpen' um Glas-Schmelze derselben Rezeptur handelt.
Eine Lichtmessung an der herausgetrennten und polierten Scheibe mittels Refraktometer ergab keine Glas relevante Lichtbrechung höher als 1,78. Das Material ist also nicht durchscheinend.
Erstmals wurde in Hessen an einer Ein-Ofen-Anlage der hochmittelalterlichen Glasgewinnung Glas-Schmelze nachgewiesen. Mit ihr wurde auch eine konkrete Datierung möglich.
Das Wissen über die Ein-Ofen-Anlagen ist spärlich, die Forschung steht hier noch am Anfang. Keine urkundlichen Nachrichten geben uns Auskunft über sie, die Glasmacher selbst, ihre Arbeitsweise und Glasrezepturen. In Hessen ist das wenige Bekannte bisher nur über die Ausgrabung im Reinhardswald und die Materialanalyse im Taunus erreicht worden. Darüber hinaus herrscht im Taunus, im Reinhardswald und dem niedersächsischen LeineWeser-Bergland, wo die Zahl dieser Art Glashütten besonders hoch ist, wegen des Fehlens von Glasscherben Unklarheit darüber, ob Hohl-, Scheiben-oder nur Rohglas gewonnen wurde. War es nur der Werkstoff Rohglas, so könnte sowohl eine Verbindung zu einer nahegelegenen Haupthütte zur Weiterverarbeitung bestanden haben als auch eine Vermarktung in Betracht gezogen werden. -Im Ablauf eine Parallele zu den Eisenhüttenleuten und deren Produkten an den Rennfeueröfen -.
Ein Blick auf die Aufnahmekarte
Die Aufnahmekarte (siehe unten) zeigt die sieben Standorte der Ein-Ofen-Anlagen im Hochtaunuskreis (rot), der achte befindet sich im Kreis Limburg-Weilburg. Die topographischen Höhen aller Standorte liegen zwischen 340 -600 ü. NN.
Auffällig ist, dass sie nur in einer kleinen Region vorkommen und relativ dicht beieinander liegen. Das sind zwar keine grundlegenden Erkenntnisse, doch könnten sie gerade für das Glasmacherhandwerk in einem Punkt als Bestätigung ausgelegt werden. Die Glasmacher gelten, wie die Eisenhüttenleute auch, als Wanderhandwerker.
Dabei kam dem Holz, dem einzigen Energieträger zum Betreiben der Schmelzöfen, höchste Priorität zu. Enorme Mengen wurden benötigt, um Temperaturen von 800 -1100 Grad Celsius zu erreichen. War es im Umfeld der Standorte aufgebraucht (oder die zeitlich begrenzte Lizenz zum Glasmachen abgelaufen), zog man weiter. Im Falle der Ein-Ofen-Anlagen im Hochtaunuskreis scheint sich dieser Vorgang mit dem Lagebild zu bestätigen.
Eine weitere Überlegung: die "Ballung" auf relativ engem Raum spricht dafür, dass die Ofenanlagen in einem zusammenhängenden Zeitraum nach einander, vielleicht von nur einer Gruppe Glasmachern, betrieben worden sind. Untermauert wird diese Hypothese mit der sich gleichenden Bauweise der Öfen. Nur am Standort ANKE II und III weichen die obertägigen Befunde davon ab. Eines ist sicher; eine Verbindung zu den westlich gelegenen Waldglashütten (blau) kann aufgrund der Datierungen nicht bestanden haben.
Der Taunus ist nachdrücklich als Glaslandschaft bestätigt.