Kulturkreis Glashütten e.V.
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Die neuzeitlichen Glashütten im Gemeindegebiet

Der momentane Stand der Forschung geht davon aus, dass im 16. Jahrhundert in den Wäldern des Taunus kein Glas hergestellt worden ist. Erst wieder zu Beginn des 17. Jahrhunderts bekommen wir Kenntnis von einer Glashütte jenseits des Limes bei dem damals Nassauischen Dorf Oberems, die „Alte Glashütte Oberems/Im Hobholz 2“. In zeitlicher Reihenfolge arbeiteten danach die „Kauffelt-Hütte am Stockborn“ (sie führte zur Gründung des Dorfes Glashütten) und als letzte die „Neue Glashütte am Kalbshecker Bach“. Alle drei Standorte sind archivalisch gut belegt. An keiner der genannten Standorte hat eine archäologische Grabung stattgefunden, aber durch Aufsammeln von Oberflächenfunden ist reichliches und aussagekräftiges Material vorhanden, das zusammen mit Verzeichnissen und Rechnungen, die im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden vorhanden sind, einen guten Überblick über die jeweilige Produktpalette gibt. Während die Standorte „Am Stockborn“ und „Kalbshecker Bach“ nie in Vergessenheit geraten waren, gab es verwirrende Angaben über die Lage und die Zeitstellung der „Alten Glashütte Oberems“. Durch intensive Forschungen und nicht zuletzt durch das Auffinden des eigentlichen Standorts „Im Hobholz 2“ durch Horst Nauk und Heinz Benkert konnten letzte Zweifel ausgeräumt werden.

 

Alte Glashütte Oberems/Im Hobholz 2

 

Ein Verzeichnis aus den Jahren 1617 und 1618 über hergestelltes und verkauftes Glas gibt den entscheidenden Hinweis auf diese Hütte, die unter Graf Ludwig II. von Nassau-Weilburg, ohne dass sein Name direkt genannt worden wäre, betrieben wurde. Als Hüttenmeister wird ein Henrich (Kunckel?) genannt. Die Hütte produzierte erhebliche Mengen an Glas, obwohl der Zeitraum ihres Bestehens nur kurz war. Nach dem frühen Tod (1618)des Hüttenmeisters fand sich wahrscheinlich kein Nachfolger.

Hergestellt wurde einfaches grünes Waldglas für unterschiedlichste Becherformen, aber auch Flaschen, Apothekergefäße und sogar Glasknöpfe. Reste von Gefäßen mit reicher Verzierung und überdimensionierte Butzenscheiben weisen auf einen anspruchsvollen Bedarf hin.

Der Hüttenstandort wurde 1998 von der Abt. „Vermessungswesen“ der Fachhochschule Frankfurt a. M., vermessen und kartiert.

Außergewöhnlich große Butzenscheibe, Durchmesser 22 cm, vom Hobholz, in mühsamer Kleinarbeit zusammengeklebt
Außergewöhnlich große Butzenscheibe, Durchmesser 22 cm, vom Hobholz, in mühsamer Kleinarbeit zusammengeklebt
Unterteil eines Bechers mit Korbmuster, Vorform der Apfelweingläser
Endstück einer Glasmacherpfeife und Rest der Metallhalterung für ihren Holzgriff

 

Kauffelt-Hütte am Stockborn

 

Eindeutig nachgewiesen ist dieser Standort seit Beantragung der Glashütte 1675 und durch ihre Arbeitszeit 1676-1686. Wahrscheinlich ist, dass es seit 1615 einen oder auch zwei Vorläuferbetriebe gab. Hier besteht noch Forschungsbedarf. Die Hütte wurde zunächst mit einem sehr großen Ofen und 14 Ständen (Arbeitsplätze am Ofen) von Friedrich Kauffelt aufgebaut. Wir begegnen bekannten Glasmachernamen wie Paul Wentzel, Adam Schmidt, Lorenz Kunckel und Elias Gundelach. Es wurde zunächst Flachglas in Form von runden Scheiben hergestellt, daneben gängiges Hohlglas, wie Römer, Wassergläser, Becher, Schalen, Apothekergefäße. Dieses einfache grüne Waldglas fand aber zu dieser Zeit kaum noch Abnehmer, so dass der Ofen stark verkleinert werden musste, was auch schon wegen des horrenden Holzverbrauchs nötig geworden war.

 

Fundmaterial wurde in der Vergangenheit reichlich aufgesammelt. Noch heute findet man auf einem Schutthügel immer wieder kleine Glasstücke unterschiedlicher Formen und Glasmassen. Die Hütte stellte langsam ihren Betrieb ein; auf dem gerodeten Gelände, das günstig an einer Hauptverkehrsstraße (der heutigen B8) lag, durfte sich 1686 ein Dorf gründen, das den Namen „Klaßhuett“ in dieser oder später veränderter Form als „Glashütten“ einfach beibehielt.

 

Die Reste des durch Bautätigkeit in unmittelbarer Umgebung stark in Mitleidenschaft gezogenen Glashüttenstandortes wurden 1998 von der Abt. „Vermessungswesen“ der Fachhochschule Frankfurt a. M. vermessen und kartiert.

Vermessung des Standortes “Kauffelt-Hütte am Stockborn
Ober- und Unterteile von kleinen Flaschen
Kleinscherbiges Fundmaterial der “Kauffelt-Hütte am Stockborn

 

Neue Glashütte am Kalbshecker Bach

 

Diese Glashütte, die in der Zeit von 1695 bis 1700 gearbeitet hat, ist ausführlich archivalisch belegt und noch heute im Gelände gut erkennbar. Es handelt sich um eine sehr große Anlage, aber auch um die letzte der eigentlichen Waldglashütten, bevor sich in unserer Region Glasbetriebe in der Art von Manufakturen stadtnah niederließen (z.B. Klarenthal bei Wiesbaden).

 

1695 erhält Johann Wentzel, der bereits eine Glashütte in Rechtenbach im Spessart besitzt, die Konzession zum Aufbau der „Neuen Glashütte“ im Waldgebiet zwischen Glashütten und Königstein. Er übergibt sie bereits Ende 1695 seinem noch sehr jungen Sohn Johann Georg Wentzel, der bei gutem technischem Sachverstand mit der Führung des Betriebes aber offensichtlich überfordert ist. Der Vater stirbt im Herbst 1696; trotzdem produziert die Hütte innerhalb der Zeit von Herbst 1695 bis Juni 1697 nahezu eine Million Stück Hohlgläser, vor allem für den Mainzer Hof.

 

Trotz seiner kurzen Laufzeit hat dieser Betrieb einen ganz besonderen Platz in der Forschung eingenommen. Vater und Sohn Wentzel konnten das damals heiß begehrte, völlig entfärbte Kristallglas herstellen. Diese Kenntnis gelangte über den Mainzer Hof und eine Jesuitendelegation nach China, wo im Pekinger Kaiserpalast Linsen für den astronomischen Bedarf hergestellt wurden. Das Ende der Hütte am „Kalbshecker Bach“ wurde durch eine Gruppe von französischen Glasmachern besiegelt, die vorgaben, „Edelsteine“ herstellen zu können, dafür der Glasmasse aber giftige Materialien beimengten, deren Dämpfe bei Johann Georg Wentzel zu starken Vergiftungserscheinungen führten. Die Hütte arbeitete nach 1700 nicht mehr.

Auf Grund der hohen Produktionszahlen finden sich auf dem großen Hüttenplatz immer wieder beachtliche Mengen von Glasresten, vor allem auch von weißem Kristallglas, das sich bei modernen analytischen Untersuchungen tatsächlich als besonders rein und wertvoll darstellt.

 

Die Anlage wurde 1998 von der Abt. „Vermessungswesen“ der Fachhochschule Frankfurt a. M. vermessen und kartiert.

Fundamentsteine der großen Glashüttenanlage am Kalbshecker Bach
Weißes Kristallglas von höchster Qualität
Glas in allen Farben vom Kalbshecker Bach
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